Für viele Unternehmer im deutschsprachigen Raum mag es auf den ersten Blick so wirken, als seien die administrativen Hürden in Österreich und Deutschland nahezu identisch. Schließlich teilen wir uns eine Sprache und einen großen Teil der Wirtschaftskultur. Doch der Teufel steckt im Detail. Wer als Österreicher Geschäftsbeziehungen nach Deutschland unterhält oder expandieren möchte, muss sich bewusst sein, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen oft subtil, aber gravierend voneinander abweichen. Dieser Artikel beleuchtet die spezifischen Diskrepanzen, die für österreichische Gewerbetreibende und Geschäftsführer relevant sind.
Grundlagen und rechtliche Basis
Das Fundament für die geschäftliche Erfassung aller Vorfälle ist in beiden Ländern gesetzlich streng geregelt, jedoch basieren sie auf unterschiedlichen Gesetzgebüchern. Während wir uns in Österreich primär nach dem Unternehmensgesetzbuch (UGB) sowie der Bundesabgabenordnung (BAO) richten, ist in Deutschland das Handelsgesetzbuch (HGB) das Maß aller Dinge, flankiert von der dortigen Abgabenordnung. Obwohl beide Systeme auf den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufbauen, gibt es in der praktischen Auslegung Unterschiede. Eine sauber geführte Buchhaltung ist in beiden Ländern unumgänglich, um Strafzahlungen und Schätzungen durch das Finanzamt zu vermeiden. Dennoch variieren die Fristen, die Aufbewahrungspflichten und vor allem die Schwellenwerte, ab denen bestimmte Pflichten greifen, erheblich.
Ein klassisches Beispiel ist die Unterscheidung zwischen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (E-A-R) und der doppelten Buchführung. In Österreich ist die Grenze hierfür oft klarer an den Umsatz gekoppelt, während in Deutschland auch der Gewinn eine entscheidende Rolle spielt, um zur Bilanzierung verpflichtet zu werden. Für den österreichischen Unternehmer bedeutet dies, dass Wissen über das heimische System nicht 1:1 auf den deutschen Markt übertragen werden kann.
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Finanzmanagement und Bankwesen
Ein oft unterschätzter Aspekt bei der Gründung oder Führung eines Unternehmens ist die Trennung der Geldflüsse. Unabhängig davon, ob Sie in Wien oder München tätig sind, ist die strikte Trennung von privaten und geschäftlichen Ausgaben der erste Schritt zur Professionalität. Besonders für Einzelunternehmer und kleine Personengesellschaften ist dies relevant. Viele Banken bieten hierfür spezifische Lösungen an. Ein spezialisiertes Konto für Kleingewerbe hilft dabei, den Überblick zu behalten und die Zuarbeit für den Steuerberater so effizient wie möglich zu gestalten. Während in Österreich die Bankgebührenmodelle oft pauschalierte Sätze für Geschäftskonten vorsehen, ist der deutsche Bankenmarkt stärker fragmentiert, und die Konditionen für ein solches Konto für Kleingewerbe können stark variieren, oft abhängig von der Anzahl der Buchungsposten.
Auch die Handhabung von Bankspesen und Zinserträgen unterscheidet sich steuerlich im Detail. Wer grenzüberschreitend tätig ist, sollte zudem beachten, dass SEPA-Lastschriften zwar standardisiert sind, die Rücklastschriftgebühren und die Toleranzgrenzen der Banken bei Überziehungen jedoch nationalen Gepflogenheiten folgen. Die saubere Kontoführung ist somit nicht nur eine organisatorische, sondern eine strategische Notwendigkeit.
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Umsatzsteuer und Steuersätze
Einer der augenscheinlichsten Unterschiede liegt in der Umsatzsteuer. Für den österreichischen Konsumenten und Unternehmer ist der Normalsteuersatz von 20 % der Standard. In Deutschland hingegen beträgt dieser 19 %. Was nach einem vernachlässigbaren Prozentpunkt klingt, hat massive Auswirkungen auf die Preiskalkulation und die Rechnungsstellung.
Noch komplexer wird es bei den ermäßigten Steuersätzen:
- Österreich: Wir kennen ermäßigte Sätze von 10 % (z.B. für Lebensmittel, Mieten zu Wohnzwecken) und 13 % (z.B. für Eintritte zu Kulturveranstaltungen, Tierfutter, lebende Pflanzen). Zusätzlich gibt es seit der COVID-Krise temporäre Sätze wie 5 % in der Gastronomie, die jedoch zeitlich befristet waren.
- Deutschland: Hier gibt es in der Regel nur einen ermäßigten Satz von 7 %. Dieser gilt für Lebensmittel, Bücher und teilweise auch für Hotelübernachtungen (während das Frühstück oft wieder anders besteuert wird).
Für österreichische Exporteure oder Dienstleister, die eine Steuernummer in Deutschland haben, ist es essenziell, die korrekten Steuersätze auf den Rechnungen auszuweisen. Ein Fehler hier führt oft zu langwierigen Korrekturschleifen und Problemen beim Vorsteuerabzug des Geschäftspartners.
Buchführungsgrenzen und Bilanzierungspflicht
Wann muss ein Unternehmen von der einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zur doppelten Buchhaltung (Bilanzierung) wechseln? In Österreich regelt § 189 UGB dies relativ eindeutig anhand der Umsatzgrenzen. Die Pflicht zur doppelten Buchhaltung tritt ein, wenn der Jahresumsatz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils 700.000 Euro übersteigt, oder in einem einzelnen Jahr die Grenze von 1.000.000 Euro überschritten wird.
In Deutschland sind die Hürden anders gesteckt. Nach § 141 AO (Abgabenordnung) sind gewerbliche Unternehmer buchführungspflichtig, wenn sie einen Umsatz von mehr als 600.000 Euro im Kalenderjahr ODER einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 60.000 Euro im Wirtschaftsjahr erzielen. Besonders der Gewinn-Indikator ist ein gravierender Unterschied zum österreichischen System, da ein profitables kleines Unternehmen in Deutschland viel schneller bilanzierungspflichtig werden kann als in Österreich.
Vergleich der Reisekosten und Diäten
Ein Thema, das bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten oft für Verwirrung sorgt, ist die Abrechnung von Reisekosten, im österreichischen Volksmund oft „Diäten“ genannt, während man in Deutschland eher vom „Verpflegungsmehraufwand“ spricht. Das österreichische System ist hier traditionell etwas großzügiger und gleichzeitig bürokratischer strukturiert.
In Österreich gelten bestimmte Tagessätze (Taggeld) für Inlandsreisen, die steuerfrei ausgezahlt werden können, sofern die Reisedauer bestimmte Stundenanzahlen überschreitet. Für Auslandsreisen gibt es spezifische Sätze je nach Land. In Deutschland gibt es ebenfalls Pauschalen für den Verpflegungsmehraufwand, jedoch sind die Beträge und die Staffelung (kleine Pauschale vs. große Pauschale) unterschiedlich. Zudem ist die steuerliche Absetzbarkeit von Bewirtungskosten in Deutschland (70 % abzugsfähig) anders geregelt als in Österreich (50 % abzugsfähig bei geschäftlicher Veranlassung).
Die Registrierkassenpflicht vs. Kassensicherungsverordnung
Die Digitalisierung der Bargeldumsätze hat beide Länder erfasst, doch die technische Umsetzung unterscheidet sich massiv:
- RKSV (Österreich): Seit einigen Jahren gilt in Österreich die Registrierkassensicherheitsverordnung. Sie erfordert eine Signaturerstellungseinheit (Sicherheitseinrichtung) und einen QR-Code auf jedem Beleg. Die Meldung erfolgt über FinanzOnline.
- KassenSichV (Deutschland): In Deutschland gilt die Kassensicherungsverordnung, die eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) vorschreibt. Das System ist ähnlich, aber technisch nicht kompatibel. Eine österreichische Registrierkasse kann nicht ohne Umrüstung in Deutschland verwendet werden und umgekehrt.
Übersicht der wichtigsten Unterschiede
Um die Orientierung zu erleichtern, finden Sie hier eine Gegenüberstellung der wichtigsten Eckdaten für Unternehmer.
| Merkmal | Österreich | Deutschland |
|---|---|---|
| Gesetzliche Basis | Unternehmensgesetzbuch (UGB) | Handelsgesetzbuch (HGB) |
| Standard-Umsatzsteuer | 20 % | 19 % |
| Ermäßigte Steuersätze | 10 %, 13 % | 7 % |
| Grenze Buchführungspflicht | 700.000 € Umsatz (2 Jahre) | 600.000 € Umsatz oder 60.000 € Gewinn |
| Bewirtungskosten | 50 % abzugsfähig | 70 % abzugsfähig |
| Sozialversicherung | SVS (Pflichtversicherung für Selbstständige) | Komplexes System (Gewerbetreibende oft nicht pflichtversichert in der Rentenversicherung) |
Besonderheiten bei der Rechnungslegung
Auch wenn die EU-Richtlinien vieles harmonisiert haben, gibt es nationale Eigenheiten bei der Rechnungsstellung. In Österreich muss eine Rechnung bestimmte Merkmale aufweisen, um zum Vorsteuerabzug zu berechtigen (gemäß § 11 UStG). Dazu gehört unter anderem der genaue Leistungszeitraum. In Deutschland sind die Anforderungen ähnlich (§ 14 UStG), doch ist die deutsche Finanzverwaltung oft noch formstrenger bei der Prüfung von Eingangsrechnungen. Ein kleiner Formfehler kann in Deutschland bei einer Betriebsprüfung schneller zur Streichung des Vorsteuerabzugs führen als in der österreichischen Praxis, wo oft noch der Grundsatz „Inhalt vor Form“ etwas stärker gewichtet wird, solange die Leistung unstrittig ist.
Zudem ist das Thema „Reverse Charge“ (Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) zwar ein EU-weiter Mechanismus, die Anwendung auf bestimmte Dienstleistungen (z.B. Bauleistungen, Schrotthandel, Mobiltelefone) variiert jedoch im Detailumfang und den Schwellenwerten. Österreichische Unternehmen, die Bauleistungen in Deutschland erbringen, müssen sich zwingend mit der dortigen Freistellungsbescheinigung auseinandersetzen, um Steuerabzüge an der Quelle zu vermeiden – ein bürokratischer Akt, der in Österreich in dieser Form so nicht existiert.
Abschluss und Bilanzfristen
Die Erstellung des Jahresabschlusses ist der finale Akt des Buchhaltungsjahres. In Österreich haben Kapitalgesellschaften grundsätzlich neun Monate Zeit, den Jahresabschluss beim Firmenbuchgericht einzureichen. In Deutschland beträgt die Offenlegungsfrist beim Bundesanzeiger zwar zwölf Monate, doch die Erstellungsfrist für die Bilanz ist deutlich kürzer (in den ersten drei bis sechs Monaten des neuen Geschäftsjahres, je nach Größe der Gesellschaft). Verstöße gegen die Offenlegungspflichten werden in Deutschland vom Bundesamt für Justiz mittlerweile automatisiert und sehr rigoros mit Ordnungsgeldern geahndet. In Österreich sind Zwangsstrafen zwar auch möglich, die Praxis ist jedoch im Vergleich zur deutschen „Ordnungsgeld-Maschinerie“ oft etwas weniger aggressiv automatisiert, wenngleich sich dies in den letzten Jahren verschärft hat.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich meinen österreichischen Steuerberater auch für Deutschland nutzen?
Grundsätzlich ist das Steuerrecht nationales Recht. Ein österreichischer Steuerberater darf zwar beratend zur Seite stehen, für die Erstellung von deutschen Umsatzsteuervoranmeldungen oder Jahresabschlüssen nach deutschem Recht ist jedoch in der Regel ein zugelassener deutscher Steuerberater notwendig oder zumindest ein österreichischer Berater, der eine entsprechende grenzüberschreitende Zulassung besitzt (was selten ist). Es empfiehlt sich dringend, vor Ort in Deutschland einen Experten hinzuzuziehen.
Gilt die Kleinunternehmerregelung auch grenzüberschreitend?
Nein. Die Kleinunternehmerregelung (in Österreich bis 35.000 € Umsatz steuerfrei) gilt nur im Inland. Wer als österreichischer Kleinunternehmer Waren an Privatkunden in Deutschland versendet, muss ab dem ersten Euro die neuen EU-Fernverkaufsregelungen beachten (OSS-Verfahren), sofern die europaweite Lieferschwelle von 10.000 € überschritten wird.
Was passiert, wenn ich die falsche Umsatzsteuer auf der Rechnung ausweise?
Weisen Sie österreichische 20 % USt aus, obwohl die Leistung in Deutschland steuerbar wäre (und dort 19 % gelten würden), schulden Sie den ausgewiesenen Betrag dem österreichischen Finanzamt, während der deutsche Kunde diesen nicht als Vorsteuer geltend machen kann. Dies führt zu erheblichen finanziellen Nachteilen und Korrekturaufwand.
Sind Trinkgelder in beiden Ländern steuerfrei?
In Österreich sind Trinkgelder für Arbeitnehmer steuerfrei, wenn sie von Dritten freiwillig gegeben werden. In Deutschland gilt dies ebenfalls, jedoch gibt es Unterschiede bei der Behandlung von Trinkgeldern für den Unternehmer selbst (diese sind in der Regel steuerpflichtige Einnahmen). Die Dokumentation sollte hier sehr genau erfolgen.

